„Es geht auch um die leisen Momente“

Yvonne Schouwink leitet die Soziale Betreuung des ProTalis Seniorenzentrums „Am Humboldtplatz“ in Rheine. Regelmäßig tanzt, hüpft und spaziert sie aber auch als Clown ‚Auguste‘ durch die Einrichtung und zaubert den Bewohnern ein Lächeln ins Gesicht. Wie sie zu dieser ungewöhnlichen Rolle kam und warum Clowns nicht immer nur lustig sind, berichtet sie hier.

28.02.2022

Clown Auguste begeistert im ProTalis Seniorenzentrum Rheine

Yvonne Schouwink wurde durch ein Schnupperpraktikum auf die Soziale Betreuung aufmerksam und stellte schnell fest, dass dieser Beruf genau das Richtige für sie ist: „Für mich ist das die schönste Aufgabe der Welt. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen.“ In der Einrichtung „Am Humboldtplatz“ ist Schouwink als Leitung der Sozialen Betreuung für ein fünfköpfiges Team zuständig und unterstützt als Betreuungskraft die Bewohner im Seniorenzentrum. Dazu gehören Einzelbetreuungen und auch Gruppenangebote, die das Miteinander in der Einrichtung fördern. „Der Soziale Dienst ist für die Aktivierung und Beschäftigung zuständig und fördert damit die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Bewohner. Wir schauen ganz genau, was jeder Einzelne gerade braucht“, fasst Schouwink zusammen.

Der Weg zur Clownerie-Fortbildung

Yvonne Schouwink war schon immer ein großer Fan der Klinikclowns, die insbesondere Kindern in Krankenhäusern ein Lächeln ins Gesicht zaubern, sich inzwischen aber auch mehr und mehr in der Altenpflege engagieren. Aufgrund ihrer Begeisterung für das Thema packte sie irgendwann der Ehrgeiz: „Ich dachte mir, dass ich das doch eigentlich auch selbst machen kann, weil ich ein humorvoller Mensch bin. Außerdem kenne ich die Bewohner sehr gut und kann deshalb individuell auf ihre Bedürfnisse eingehen.“ Es folgte eine Fortbildung, um sich mit den theoretischen Grundlagen der Clownarbeit auseinanderzusetzen und um an Sprache, Mimik und Gestik sowie Improvisation und Rollenspiel zu arbeiten. „Mir ist sehr schnell klar geworden: Das ist genau das, was ich für die Bewohner machen möchte und womit ich mich identifizieren kann.“ Doch bevor die Clownarbeit beginnen konnte, brauchte sie noch eine Rolle, die sie mit Leben füllte. „So wurde ‚Auguste‘ geboren. Auguste denkt, dass sie eine Prinzessin ist – das ist aber natürlich nicht ganz wahr“, sagt Schouwink und lacht. „Seitdem bin ich als ‚Auguste von Humboldt‘, in Anlehnung an den Namen unserer Einrichtung, tätig.“

Bewohner freuen sich auf Auguste

An dieser skurrilen Person haben die Bewohner des Seniorenzentrums seitdem viel Freude. „Wenn ich lange nicht aufgetreten bin, fragen mich unsere Bewohner, wo ich in der Zwischenzeit war“, berichtete Schouwink. „Wenn der Clown kommt, ist das wie eine Traumfigur. Das öffnet Gesprächstüren, die bislang verborgen blieben und führt dazu, dass die Bewohner freier und ungezwungener über Themen reden, die ihnen wichtig sind.“ Als Clown wird Yvonne Schouwink von allen Bewohnern akzeptiert und positiv wahrgenommen. Doch jeder reagiert anders auf Auguste. „Besonders neue Bewohner sind erstmal skeptisch. Hier leiste ich Überzeugungsarbeit, stelle mich vor und mache beispielsweise einen Knicks. Bei manchen Bewohnern dauert es etwas, bis sie mit Auguste warm werden, aber in der Regel höre ich sofort ein Lachen.“ Ihr eigenes Lachen ist sehr markant und hat sie schon das ein oder andere Mal in eine verzwickte Lage gebracht. „Ich habe ein spezielles und manchmal auch lautes Lachen. Und natürlich verstelle ich meine Stimme nicht, wenn ich Auguste bin. Da kommt es schon mal vor, dass Bewohner auf mich zukommen und sagen: ‚Dich kenn ich doch, bist du nicht Yvonne?‘ Das muss ich in meiner Rolle natürlich abstreiten und sage dann meistens, dass ich Yvonne nicht kenne, aber schon viel von ihr gehört habe.“

Clowns sind nicht immer nur lustig

Bei der Frage, wie sie ihr Programm als Clown gestaltet, muss Schouwink herzlich lachen. „Was die Clownerie betrifft, gibt es viele Vorurteile“, erklärt sie. „Wenn man als Clown in Aktion tritt, dann gibt es keinen festen Ablauf. Man ist einfach präsent und fängt die Situation auf, die gerade passiert. Egal, ob das ein trauriger oder lustiger Moment ist.“ So hatte Yvonne Schouwink auch einmal eine Situation, in der sie in ihrer Rolle mit einer Bewohnerin über den Tod gesprochen hat. Auch deshalb sind beim Clownspiel Improvisation, der aufrichtige und tiefe Kontakt mit Menschen und authentische Emotionen wichtig. „Ich bin nicht der typische Clown, der Teller dreht und jongliert. Ich versammle auch keine Menschen um mich und trete dann auf.“ Ganz im Gegenteil: Sie geht in die Küche zum Kaffee trinken, läuft über die Flure, betritt Aufenthaltsräume oder einzelne Bewohnerzimmer. Und wenn gerade ein Nachmittagsprogramm stattfindet, platzt sie auch schon mal hinein und schaut, wie die Bewohner darauf reagieren. „Ich liebe es den Bewohnern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und wenn ich Menschen, denen es nicht gut geht, für kurze Zeit ihre Sorgen und Ängste nehmen kann. Wenn man Clown ist, geht es auch um die leisen Momente.“

Auguste von Humboldt – die Prinzessin des Seniorenzentrums

Auch optisch möchte Schouwink das Bild, das viele Menschen von einem Clown im Kopf haben, aufbrechen: „Ich erlebe es ganz oft, dass Menschen an den typischen Zirkusclown denken. Und genau das bin ich nicht.“ Sie trägt deshalb auch nicht das stereotype Clownskostüm mit Hose und Jacke. Ihr Outfit setzt sich zusammen aus einem ausladenden weißen Tutu mit gelben Blumen, einem rot-weiß-gestreiftem Oberteil und blau-weiß-gestreiften Socken. Dazu trägt sie eine rot-gelockte Perücke mit einer gelben Sonnenblume im Haar. Mit dabei ist auch immer ihr kunterbunter Mini-Regenschirm. „Den habe ich, weil meine Dauerwelle nicht nass werden darf“, erklärt Schouwink schmunzelnd. „Vor kurzem habe ich mir eine neue Perücke gekauft, bei der die Haare etwas wüst aussehen. Die ist bislang aber noch nicht zum Einsatz gekommen. Mein Plan ist den Bewohnern zu erzählen, dass meine Dauerwelle langsam rausgeht und ich einen neuen Friseur brauche.“ Ihr Outfit komplettiert Yvonne Schouwink mit einer gehäkelten roten Nase, aufgemalten Sommersprossen, einem geschminkten Mund und weißen Augen. „Clowns leben von der Mimik. In der Pandemie und durch das Tragen von Masken ist es schwierig geworden aufzutreten. Deshalb ist Auguste aktuell leider nicht regelmäßig im Einsatz. Ich freue mich schon auf die Frühjahrs- und Sommerzeit, wenn mehr draußen stattfinden kann.“

Die Rolle leben

Sobald Yvonne Schouwink in ihre Figur Auguste schlüpft, geht sie völlig in der Rolle auf. „Ich nehme dann keine Anfragen oder Anrufe entgegen und bin nur noch für die Bewohner da, um nicht aus der Rolle zu fallen. Natürlich muss das eng mit meinem Team und den Pflegekräften abgestimmt werden.“ Besonders begeistert sie an ihrer Tätigkeit, dass jeder Tag als Clown eine andere Überraschung bereithält: „Wenn beispielsweise demenziell veränderte Bewohner mich plötzlich ganz bewusst anschauen und ich sie dazu bewegen kann mit mir zu tanzen – das sind Momente, die mich sehr berühren. Aber es sind auch die stillen Momente, ernste Gespräche oder das Halten einer Hand, die in mir nachhallen.“